31.03.2025
Work-Life-Balance wird zum Diskussionsthema
Es ist schon beinahe Tradition, dass im März der Unternehmerdialog der Stadt Mengen stattfindet. Und so war es vergangene Woche wieder soweit. Im Bürgerhaus Ennetach versammelten sich gut 150 Gäste, die dem Vortrag von Dr. Patrick Rapp, Mitglied des Landtags und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, lauschten. Ein weiterer Höhepunkt war die Podiumsdiskussion „Nachhaltige Unternehmensführung“.
Ein Ennetacher aus dem Stuttgarter Landtag zu Gast im Bürgerhaus Ennetach, so hat sich Dr. Patrick Rapp, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, dem Publikum vorgestellt. „Ich bin hier großgeworden und der Einladung zum Unternehmerdialog gern gefolgt“, so Dr. Rapp, bevor er mit Elan seinen Impulsvortrag einleitete. Dieser befasste sich mit den „Herausforderungen für die Unternehmen in Baden-Württemberg“.
Das Bild, das er zeichnet, ist kritisch. In den vergangenen Jahren sei die Wirtschaft geschrumpft, was aus seiner Sicht vor allem zwei Faktoren geschuldet ist: der Infrastruktur und der Bürokratie. Was die Bürokratie betreffe, wählte er den Vergleich mit dem Fußball: Die Regierung habe ein Spielfeld erschaffen, auf dem nicht nur Tore, ein Schiedsrichter und die Mannschaften ihren Platz einnehmen. Nein, es kommen noch unzählige Schilder mit Anweisungen hinzu, die die Spieler bei jedem Zug befolgen müssten.
Leistung sollte sich wieder lohnen
Zurück zur Wirtschaft: In diesem engen und überbürokratisierten Feld müssten Unternehmen versuchen, zu bestehen. Was vielleicht für die Big-Five in Baden-Württemberg machbar ist, könne von den Mittelständlern kaum erfüllt werden. Hinzu kämen die Forderungen der Gewerkschaften, die einen neuen Weg gehen wollen und auf eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich spekulieren und andere Vorstellungen von einer Work-Life-Balance haben. Um weiterhin innovativ und produktiv zu sein, brauche es ein Umdenken: Wieder hin zu mehr Arbeit und zu mehr Leistung. Arbeit müsse sich lohnen, sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeiter als auch für die Unternehmer. So sei ein Weg aus der Krise durchaus möglich, sagte Rapp.
Ähnlich sahen es auch die drei „Powerfrauen“, die sich den Fragen der Moderatoren Dr. Bernhard Kräußlich, Geschäftsführer der WIS, und Diplom-Ökonom Jürgen Kuhn von der IHK Bodensee-Oberschwaben, stellten. Rebecca Adams, Carolin Deberling und Tanja Gipson. Alle führen Unternehmen und haben einen Einblick in ihr Arbeitsfeld und ihre Herausforderungen gegeben.
Den Anfang machte Tanja Gipson: Sie ist Vereinbarkeitsmanagerin und setzt sich für eine moderne Work-Life-Balance ein. „Ich helfe Menschen dabei, Beruf, Familie, Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Die kommenden Generationen setzen auf eine andere Vereinbarkeit, das kann auch Vorteile bringen“, führt sie aus. So gebe es einen Trend hin zu Alltagsvätern, die ebenso mehr Zeit in Familien verbringen möchten. Das wiederum löse einen Mangel an Arbeitskraft aus, der von Müttern übernommen werden könne, wenn die Arbeitszeitmodelle passen. Es dürfe nicht mehr nur in starren 9-17 Uhr Regelungen gedacht werden. Ein motivierter Arbeitnehmer leistet auch in Teilzeit und bei flexiblen Arbeitszeiten mehr als jemand, der nur „Dienst nach Vorschrift“ mache.
Viele Mitarbeitenden, viele Arbeitszeitmodelle
Dem stimmte auch Carolin Deberling zu. Sie hat das Unternehmen „Gruppe Drei“ von ihrem Vater übernommen, sie sei da eher reingerutscht, bereue die Entscheidung aber keineswegs. Mittlerweile gebe es für die 35 Angestellten fast ebenso viele Arbeitsmodelle – und es funktioniere. Als Geschäftsführerin habe sie auch keine negativen Erfahrungen gemacht. Sie sei eher über sich hinausgewachsen und sehe in der Art, wie Frauen kommunizieren einen absoluten Vorteil für Unternehmen.
„Mit Herz und Leidenschaft“
Das bestätigte auch Rebecca Adams, Geschäftsführerin von Schlösser in Mengen. „Das Kommunizieren macht Frauen stark, wir sind mit Herzblut und Leidenschaft bei der Sache“, betont sie. Adams arbeite derzeit von 8 bis 13 Uhr, hole ihr Kind von der Tagesmutter und könne Mutter und Geschäftsfrau sein. Durch ein gut aufgestelltes und diverses Team sei das machbar. Sie stehe an der Spitze, aber nicht allein. Mit ihr gebe es noch drei weitere qualifizierte Mitglieder, deren Input wichtig für das Vorankommen des Unternehmens sei. Mitarbeitende zu halten und ihnen eine Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben zu ermöglichen, sei auch nachhaltig, gibt sie zu bedenken.
Das bestätigen auch die beiden Moderatoren, die sich wünschen, dass es mehr weibliche Führungskräfte geben würde, was die drei Powerfrauen kopfnickend kommentieren. Was den Genderpay-Gap betrifft, so gibt es zumindest bei der IHK gute Nachrichten: „Bei uns gibt es ihn nicht“, betont Kuhn stolz.
Viel Applaus gab es nicht allein für die drei Unternehmerinnen und Dr. Rapp, sondern auch für Soeren Eiko Mielke. Er stellte das Projekt 100 + X vor. Hierbei handelt es sich um eine Plattform, die Jugendliche und potentielle Auszubildende mit Unternehmen in Kontakt bringt. Die Jugendlichen erhalten im Falle eines Vertragsabschlusses einen Monatslohn von 100 Euro – diesen können sie durch Zusatzleistungen aufstocken, daher das + X. „Es ist ein bisschen wie Tinder für den Arbeitsmarkt“, so Mielke. Der Match bringt jedoch, wenn alles passt, ein künftiges Arbeitsverhältnis hervor.
Bürgermeister Philip Schwaiger dankte abschließend allen Beteiligten und Organisatorin Kerstin Keppler. „Als Mengens Wirtschaftsförderin sind bei Ihnen alle Fäden zusammengelaufen, ich danke Ihnen für die tolle Vorbereitung“, betonte Schwaiger. Ihn haben die Vorträge und Diskussionen begeistert. Jeder könne aus dem Treffen wertvolle Impulse mitnehmen. Schwaiger stimmte vor allem einem Thema zu, dem für die Wirtschaft und die Verwaltung großen Bedarf nach Entbürokratisierung. Er wünschte allen Teilnehmenden des nunmehr 13. Mengener Unternehmerdialogs einen guten Austausch beim „Come Together“. Der sei auch am Stand des Hospizvereins Mengen möglich, dieser präsentierte sich und das Thema „Letzthelfer:Innen am Arbeitsplatz“.
Fotos: Christian Kaspar-Bartke